Geert Wilders bei PEGIDA: Wohin geht die Reise?
Um die islamkritischen Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) in Dresden war es in den letzten Wochen ruhiger geworden. Im Herbst und Winter des vergangenen Jahres mobilisierten die PEGIDA-Organisatoren noch bis zu 25.000 Menschen. Zudem bildeten sich auch in anderen Städten Ableger, die aber weit weniger Zulauf fanden. Über die Beweggründe der Demonstrierenden, den Charakter der Bewegung und deren Nähe zur konservativ-populistischen AfD wurde breit und kontrovers diskutiert.
Dann kam es in Dresden zu einer Führungskrise: Der PEGIDA-Organisator Lutz Bachmann trat zu Jahresbeginn von seinen öffentlichen Funktionen zurück, nachdem Bilder, die ihn mit Hitlerbärtchen und scharf gezogenem Scheitel zeigten, und fremdenfeindliche Aussagen, die er auf Facebook getätigt hatte, publik wurden. Wenig später kehrte die PEGIDA-Sprecherin Kathrin Oertel der Bewegung den Rücken zu, wohl auch – wie zu vernehmen war – weil Bachmann sich nie wirklich aus der PEGIDA-Führung zurückgezogen hatte und der Kurs der Bewegung immer weiter nach rechts gedriftet sei. Für viele war damit das Ende von PEGIDA besiegelt. Nach einer kurzen Pause setzten die Demonstrationen jedoch wieder ein, mit Bachmann in leitender Funktion, allerdings mit weit weniger Zulauf als noch zuvor.
Als dann für diesen Montag der bekannte niederländische Rechtspopulist Geert Wilders als Sprecher bei der Dresdner Demonstration angekündigt wurde, interpretierten dies viele als Versuch, der Bewegung mit brachialen Mitteln neues Leben einzuhauchen. Politikerinnen und Politiker, die zu den Hochzeiten von PEGIDA durchaus um Verständnis für die Sorgen und Nöte der Demonstrierenden geworben hatten, sprechen nun davon, dass mit der Einladung Wilders’ endgültig eine rote Linie überschritten worden sei.
Bis zu 30.000 Teilnehmer erhofften sich die PEGIDA-Organisatoren im Vorfeld, am Ende verfolgten rund 10.000 Menschen Wilders Rede, in der sich dieser gegen Hass und Gewalt und für die Verteidigung der jüdisch-christlichen Zivilisation, der Freiheit und der Demokratie aussprach. Wilders betonte, dass der Islam nicht zu Deutschland oder Europa gehöre und dass die zunehmende Islamisierung eine Gefahr sei, vor der zu viele die Augen verschlössen. Wilders mahnte, es sei an der Zeit, wach zu werden, mutig zu sein und eine Wende einzuleiten. Als Vorbild nannte er Israel, das sich entschlossen der „islamischen Barbarei“ entgegenstelle. Natürlich müsse man Flüchtlingen aus islamisch dominierten Ländern Hilfe gewähren, doch sollten diese nicht nach Europa gebracht werden, sondern in „ihrer Region“ bleiben. Einwanderer, die sich nicht in die jüdisch-christliche Kultur assimilierten, Illegale oder Dschihadisten, sollten das Land verlassen und auch nicht wiederkehren dürfen, so Wilders.
Michael Klarmann stellt auf Telepolis fest, dass Wilders’ Rede beinahe zahm gewesen sei, verglichen mit den markigen Tönen und Ausfällen, die man sonst schon vom ihm gehört habe. An einigen Stellen habe er die Dresdner Demonstrationsteilnehmer gar überfordert, etwa mit dem positiven Bezug auf Israel oder mit der Aufforderung, Muslime nicht zu hassen. Insgesamt werde aber in jedem Fall deutlich, so Klarmann, dass PEGIDA immer weiter nach rechts rücke. Doch diese Strategie werde für PEGIDA wohl kaum aufgehen, zu viele Risse und Widersprüche würden in der Bewegung offenbar. Die Frage, ob PEGIDAs Mobilisierungscoup am Montag wirklich gelungen sei, beantwortet Klarmann mit Skepsis: Zwar habe sich die Bewegung durch die Einladung Wilders wieder stärker ins Gespräch gebracht und Zulauf erfahren, allerdings sei man weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben.
Leo Brux ist sich auf dem Migrationsblog der Initiativgruppe e.V. sicher, dass PEGIDA kurz vor dem Aus steht. Mit Müh und Not hätte man gerade 10.000 Menschen aktivieren können, doch die anvisierte Amalgamierung von „Extremisten der Mitte“ und denen Rechtsaußen sei nicht gelungen. Noch nicht, wie Brux warnend betont, denn das Potenzial dafür sei durchaus vorhanden. In der Mitte der Gesellschaft steige der Stresslevel immer weiter, Ängste herrschten dort vor, die anfällig für ein Umkippen machen würden. Die Situation könnte sich schnell entzünden, wenn sich die sozialen oder ökonomischen Verhältnisse in Deutschland drastisch verschlechtern oder es zu einem islamistisch motivierten Terroranschlag kommen sollte. Dann schlage vielleicht doch die Stunde der Rechtspopulisten.
Klaus Kelle ist mehr als verwundert darüber, dass angesichts der vermeintlich niedrigen Teilnehmerzahl am Montag von der Presse schon das nahende Ende der PEGIDA-Demonstrationen herbeigeschrieben werde. Immerhin seien deutlich mehr Menschen erschienen, als bei den traditionellen Ostermärschen. Auch wenn Kelle selbst von den PEGIDA-Demonstrationen wenig hält, da er die dort propagierten Ziele und Slogans als zu plump erachtet, so stört ihn doch, dass selbst in der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung die in Dresden versammelten Menschen oft pauschal als „Rassisten und Fremdenfeinde“ abgeurteilt würden. Vielleicht seien doch auch Menschen mit berechtigten Sorgen und Ängsten unter den Demonstrierenden.
Auch Patrick Gensing stört sich auf Publikative.org an den Reaktionen und Einschätzungen der jüngsten PEGIDA-Demonstration; allerdings mit einer gänzlich anderen Stoßrichtung als Kelle: Dass jetzt etwa die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange sagte, dass mit der Einladung Wilders eine Grenze überschritten worden sei, findet Gensing höchst kritisch. Dies vermittle den Eindruck, dass die Demonstrationen bis dahin harmlos und akzeptabel gewesen seien. Wilders, der von Außen kommt, werde mit der Charakterisierung rechtspopulistisch belegt, bei PEGIDA scheue man davor aber zurück, obwohl dies ebenso berechtigt wäre. Als mindestens ebenso unpassend empfindet es Gensing, dass sich in Dresden mal wieder viele als missbrauchte Opfer stilisierten und sich vor allem um den Imageschaden für die Stadt sorgten.
Wohin geht die Reise für PEGIDA? Auch wenn sich die Dresdner Demonstrationen in den nächsten Wochen und Monaten im Sande verlaufen sollten – so, wie das im Moment häufig vorhergesagt wird – mit den Problemen und Problemwahrnehmungen, die unter anderem zu deren Entstehung geführt haben, wie etwa der Angst vor „Überfremdung“ oder einer „ungezügelten Zuwanderung“, wird man sich weiter beschäftigen müssen. Und dies vor dem Hintergrund brennender Flüchtlingsunterkünfte, wie jüngst in Tröglitz, noch umso dringender.